05. Mai 2015 – Schwergewitterfront über Mecklenburg
Der Tag nach dem Tornado

Der Blick vom Fensters aus meiner kleinen Wohnung im Wismarer Stadtteil Wendorf am frühen Abend des 05. Mai 2015. Unheilvolles braut sich dort zusammen. An diesem Abend wird in Mecklenburg große Wettergeschichte geschrieben!
Es war ein wechselhafter und schwülwarmer Frühlingstag mit etwas Regen und zeitweise auch viel Sonne. Ein schnell laufendes Tief hatte aus der Karibik einen Schwall brühwarmer, feuchter und energiegeladener Subtropikluft angesaugt. Rückseitig lenkte es mit starker Windscherung in der Höhe sehr kalte Polarluft gegen diese feuchtwarme Dampfluft. Die Zutaten für heftige Gewitter mit Unwetter- und Tornadogefahr waren gegeben. Vorlaufende, kurz auf einander folgende, kleinere Fronten und Konvergenzen mit gegenläufigen Winden unterstützen die Tornadobildung offensichtlich noch zusätzlich. Als die blitzintensive Gewitterfront, die zuvor in den Niederlanden und im Nordwesten Deutschland für erste Schäden u.a. durch Riesenhagel sorgte, gegen 18.00 Uhr auf Wismar zuzog, waren an den Wolkenstrukturen bereits hohe Turbulenzen zu erkennen. Hier lief aber alles recht glimpflich ab. Gleichzeitig sah ich auf dem Regenradar von Wetter – Online eine besonders starke Gewitterzelle auf Schwerin und dem Umland zuziehen. Ich rief bei Irena in Keez an und bat sie, den Frontdurchgang abzuwarten und nicht mit dem Auto zu fahren. Leider ignorierte sie meine Warnung und fuhr mit Jonas nach Sternberg. Es ging zwar alles gut, wie sich aber im nachhinein heraus stellte, querte ein Tornado wenige Minuten später ihre Fahrstrecke und richtete am Stadtrand von Bruel schwere Schäden an. Gegen 20.00 Uhr, auf der Rückfahrt von Sternberg, passierten sie die Spur der Verwüstung bei Thurow, direkt an der B 104. Jonas rief mich sofort über Handy an und überstürzte sich mit seinen Schadensmeldungen und meinte, hier sei es so schlimm, dass kann nicht ohne Tote abgegangen sein. Zum Glück gab es diese aber nicht! Nur knapp 2 Kilometer entfernt liegt das Grundstück der Keezer Schmiede und sozusagen die Außenstation des Steinpilz – Wismar. Um ein Haar wäre wohl auch hier alles verwüstet worden, da es zusätzlich direkt auf einer leichten Anhöhe liegt und damit ohnehin sehr windexponiert ist. Die gleiche Gewitterzelle löste kurze Zeit später den verheerenden Tornado in der mecklenburgischen Kleinstadt Bützow, südlich von Rostock, aus. Möglicherweise war es sogar der selbe Wirbelsturm, da sich der Wolkenrüssel zwischendurch immer wieder mal heben und dann wieder senken kann. Hier wird wieder einmal deutlich, wie gefährlich es ist, bei durchziehenden Gewittern unsere Straßen mit ihren alten Alleebäumen zu befahren. Jeder Autofahrer sollte bei derartigen Wetterereignissen lieber Schutz suchen, bis das schlimmste durchgezogen ist. Es müssen ja nicht immer die bei uns ohnehin recht seltenen Wirbelstürme sein, kräftige Fallböen bis hin zur Orkanstärke sind fast Standard bei Gewitterdurchgängen, insbesondere auch bei Frontgewittern. Hier nun einige Impressionen vom Tag danach:

Thurow, ein kleiner Vorort des Städtchens Brüel, direkt an der B 104 und ein Katzensprung von der Keezer Schmiede, der Außenstelle des Steinpilz – Wismar, entfernt. Das Ortsschild liegt umgeknickt.

Das schlimmste ist am Morgen danach bereits beseitigt, die Radikalität des Wirbelsturms wird dennoch deutlich. Alleebäume wurden entwurzelt oder der Rüssel hat ihre Kronen abgedreht und die Äste herum gewirbelt. Auch das Verkehrsschild hielt dem Toben der Elemente und der Trümmer nicht stand.
Nach diesen Fotos bei Brüel standen aber zunächst wieder die Pilze im Mittelpunkt. Ich fuhr zum Schweriner See, um nochmals eine meiner Morchel – Stellen aufzusuchen.

Etwa 20 dieser sehr schönen Speisemorcheln (Morchella esculenta) konnte ich noch ernten. Sie werden getrocknet.
Im Anschluss fuhr ich wieder nach Keez. Ich hatte mich mit Jonas verabredet. Nach der Schule und den Schularbeiten wollten wir in die Maipilze fahren. Aber Jonas war noch ganz aufgewühlt von den Ereignissen am Vorabend. Die waren natürlich auch Thema in der Schule, denn auch seine Klassenlehrerin war nach seinen Aussagen direkt von den Auswirkungen des Tornados betroffen. Ihr Haus soll beschädigt worden sein. Inzwischen hatte sich auch herumgesprochen, dass es Bützow noch heftiger getroffen hatte. Erst am Sonntag hatten wir mit Jonas dort seine Erstkommunion gefeiert und er konnte es sich gar nicht vorstellen, dass es in Bützow noch schlimmer aussieht wie an einigen Stellen in und um Brüel. Er drängte also darauf, bevor es in die Pilze geht, erst dorthin zu fahren. Hier unsere Eindrücke aus Bützow:

Die Bäume links im Bild hatten Glück. Sie standen wahrscheinlich außerhalb des Saugrüssels. Dafür ist das komplette Dach des Gebäudes im Hintergrund fort getragen worden. Das Haus dürfte wohl unbewohnbar geworden sein.

Die Straßen waren an dieser Stelle am Nachmittag des 06. Mai wieder befahrbar, aber direkt nach dem Unwetter hielt sicher auch kein Bus mehr bei diesem geneigtem Bus – Stopp.

Bäume, die dem Sturm gerade noch stand gehalten haben, stehen teils schief oder sind zumindest vollständig entlaubt.

Auch dieses Verkehrszeichen hat es erwischt. Es ist nicht nur umgefallen, sondern auch gleich noch formschön verbogen.

Blick über eine Parkanlage. Hier hat kein Baum den Tornado überstanden. Was noch an Strünken steht, dürfte wohl nur noch zu Brennholz taugen.

Das Dach dieses Einkaufsmarktes hat sich selbständig gemacht und die Reste haben sich im Geäst der ebenfalls zerlegten Parkanlage gegenüber verfangen.

Gerade hatten sich die Bäume ihr zartes Maigrün zugelegt. Nach nur 10 Minuten Weltuntergangsstimmung sind aus ihnen tote Ruinen geworden. Ein Bild, wie nach einem Bombenangriff!

Die gesamte Dachkonstruktion dieses stolzen und wohl gerade frisch sanierten Hauses liegt auf dem Vorplatz b. z. w. auf der Straße.

Jonas ist überwältigt, geschockt und nachdenklich gleichermaßen. So etwas hatte er und natürlich auch ich nicht in diesen Ausmaßen erwartet. So etwas sieht man sonnst nur in Berichten aus den USA, wo derartige, zerstörerische Wirbelstürme besonders zwischen April und Juni nicht selten vorkommen.

Jonas hat unter´ sdeinem Arm eine Dachpfanne von der Straße mitgenommen, zur Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis.

Nur ein Baum ist hier noch stehen geblieben. Jonas steht fassungslos vor dem Schlachtfeld der sich ausgetobten Naturgewalten. Ein Wunder, dass es hier keine Menschenopfer zu beklagen gab.

Bis auf einige Verletzte, haben die Menschen wie durch ein Wunder dieses urgewaltige Naturschauspiel ohne größere, gesundheitliche Schäden überlebt. Anders erging es dieser Taube, die am Wegesrand zwischen den Trümmern lag. Ihr sanftmütiger Anblick in Mitten des Chaos war und ist einfach traurig und berührend zugleich!
Dach nach ging es aber doch noch in die Maipilze.

Etwa 6,0 – 7,0 Kilo dürften es noch geworden sein. Durch den Platzregen der letzten Tage waren sie allerdings teilweise voll Erde gespritzt und ziemlich durchwässert, aber wir werden sie schon ordentlich Putzen, anschließend blanchieren und einfrieren.

Etwa 26 Stunden später versöhnliche und romantische Wetterstimmung mit Regenbogen und Niederschlagsschleier während eines harmlosen Regenschauers über Brüel. Der Regenbogen geht scheinbar genau an der Stelle runter, wo am Abend zuvor der Tornado von Thurow bis Brüel wütete.
Soweit einige Impressionen von den denkwürdigen Wetterereignissen in Mecklenburg Anfang Mai des Jahres 2015. Ich habe hier bewusst den Schwerpunkt unserer Bilder nicht auf die zahlreichen Gebäudeschäden gelegt, sondern wollte vor allem die Auswirkungen solcher Extremereignisse auf die uns umgebende Natur und Umwelt verdeutlichen, um zu zeigen, wie gefährlich es bei angekündigten Gewitterlagen sein kann, sich unter Bäumen, insbesondere auch im Wald aufzuhalten. Wir hoffen dennoch, dass die Hilfsbereitschaft vieler Institutionen, Firmen und Bürger gegenüber den Betroffenen groß sein möge und auch die Versicherungen die schlimmsten Schäden abdecken werden. Ansonsten wird der Wiederaufbau in den zerstörten Gebieten sicher nicht ohne Hilfen vom Land auskommen können.