Grüner Knollenblätterpilz Farbstoff soll gegen tödlichsten Pilz der Welt helfen

Alljährlich sterben auch in Deutschland Menschen, die versehentlich Grüne Knollenblätterpilze gegessen haben. Noch gibt es kein Gegengift – das könnte sich aber demnächst ändern.
Schmackhaft, aber tödlich: Grüner Knollenblätterpilz

Schmackhaft, aber tödlich: Grüner Knollenblätterpilz

Foto: O. Diez / imagebroker / IMAGO

Der Grüne Knollenblätterpilz schmeckt angenehm und sieht beliebten Speisepilzen wie dem Wiesenchampignon sehr ähnlich – gefährlich, denn der Grüne Knollenblätterpilz gilt als giftigster Pilz der Welt. Er enthält ein Toxin, das insbesondere die Leber schädigt. Chinesische und australische Forschende haben nun dessen molekulare Struktur entschlüsselt und sind einem möglichen Gegenmittel auf die Spur gekommen, wie das Team im Fachblatt »Nature Communications«  berichtet.

Der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) trägt im Englischen den Namen »Death Cap«, »Todeskappe«, und das zu Recht: Er soll weltweit für mehr als 90 Prozent der Todesfälle nach Pilzvergiftungen verantwortlich sein. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schätzt, dass Knollenblätterpilze für mindestens 80 Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen in Deutschland ursächlich sind. Tatsächlich enthält der Grüne Knollenblätterpilz ein ganzes Potpourri an Toxinen, wobei die Amatoxine, insbesondere α-Amanitin (AMA), für den Menschen am gefährlichsten sind.

Diese Gifte sind äußerst hitzeresistent, sodass ihnen Kochen nichts anhaben kann. Erste Symptome der Vergiftung wie Durchfall oder Erbrechen treten oft erst nach einigen Stunden auf und damit zu spät, um Betroffenen noch den Magen auszupumpen, zumal sich diese oft zunächst besser fühlen. Eine trügerische Genesung: In dieser Zeit schädigen die Pilzgifte die Leber, es kommt zu Blutgerinnungsstörungen mit Magen-Darm-Blutungen sowie schließlich zu Leber- oder Nierenversagen. Für diesen Verlauf müssen keine Unmengen verspeist werden – ein 50 Gramm schwerer Grüner Knollenblätterpilz enthält durchschnittlich zehn Milligramm Amatoxin, bereits der Verzehr eines Exemplars kann tödlich sein.

Indocyaningrün gegen Grünen Knollenblätterpilz

Trotz dieser letalen Wirkung ist bislang unklar, welche molekularen Mechanismen α-Amanitin so toxisch machen, auch ein spezifisches Gegenmittel gibt es bisher nicht. Genau diesen beiden Aspekten haben sich chinesische und australische Forschende um den Molekularbiologen Qiao-Ping Wang von der Sun Yat-Sen University in Guangzhou mithilfe genetischer Analysen angenommen.

Demnach bestimmt das Protein STT3B die Toxizität von α-Amanitin entschieden mit. Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftler mithilfe eines Wirkstoff-Screenings, dass Indocyaningrün (ICG) STT3B hemmen und damit dessen Gefährlichkeit verringern kann.

Das ist insofern bemerkenswert, als der fluoreszierende Farbstoff bereits als Indikatorsubstanz in der Medizin bei Herz-, Kreislauf-, Leber- und Augenerkrankungen eingesetzt wird. Als Kontrastmittel macht ICG zum Beispiel die Blutgefäße im Auge besser sichtbar oder wird bei chirurgischen Eingriffen zum Anfärben von Organen und Tumorgewebe genutzt.

Im Tierversuch wirkt es – bei schneller Gabe

Um die Ergebnisse des Screenings zu bestätigen, testeten die Pharmakologen die Wirksamkeit von Indocyaningrün zum einen mit menschlichen Zellkulturen und Leberorganoiden, zum anderen im Tierversuch mit Mäusen. Tatsächlich blockierte der Farbstoff die toxische Wirkung von AMA auf die Humanzellen und erhöhte darüber hinaus die Überlebenswahrscheinlichkeit der Mäuse – allerdings nur, wenn man ihn innerhalb von vier Stunden nach dem Pilzgift verabreichte. Nach acht oder zwölf Stunden war die rettende Wirkung dahin.

»Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass AMA in den ersten Stunden der Zelltoxizität irreversible Schäden verursacht hat, die durch die ICG-Behandlung nicht mehr rückgängig gemacht werden können«, schreiben die Autoren. Das lege wiederum nahe, Indocyaningrün so früh wie möglich zu verabreichen.

Bis es ein Therapeutikum für den Alltagsgebrauch gibt, seien allerdings intensive Forschungen nötig. Es gelte, die Mechanismen, mit denen Indocyaningrün α-Amanitin hemmt, im Detail zu verstehen, um Wirksamkeit und Sicherheit zu bewerten, schreiben die Wissenschaftler weiter. Unabhängig davon könne ihr Untersuchungsdesign – die Kombination von genomweiten Crispr-Screenings mit virtuellen Wirkstoff-Screenings – dazu beitragen, schnell neue Gegenmittel für andere medizinisch relevante menschliche Gifte zu finden.

ahh/dpa

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