Wir luden ein zur 1. Pilzwanderung bei Nacht
Gegen 20.00 Uhr starteten wir an der ersten Brücke von Blankenberg aus zu unserer Nachtwanderung durch das wildromantische Radebachtal. Leider bleibt auch dieses ökologisch und mykologisch hochinteressante Gebiet, von den immer mehr um sich greifenden, teils radikalen „Waldpflegearbeiten“, nicht verschont. Seit dem sich in Wismar eine riesige Holzindustrie angesiedelt hat, sind viele unserer Wälder kaum mehr wieder zu erkennen. Dabei wird auch vor so sensiblen und wertvollen Gebieten wie dem Radebachtal kein halt gemacht! Die Hangterrassen zum Radebach und der hier beginnende Hohlweg waren ein Eldorado seltener Pilzarten. Viele kalkliebende Schleierlinge, Korallenpilze wie Bärentatze und Blutrotfleckende Koralle oder Tiger – Ritterlinge waren hier zu hause. Der Hohlweg war schattig und einzigartig in diesem umfangreichen Waldgebiet. Die Buchen hat man rausgeholzt und die Kiefern stehen gelassen. Eine in der Nähe neu aufgestellte Informationstafel lässt etwas ganz anderes verlautbaren. Weg vom Kiefernwald, hin zum Buchenwald. Das soll einer verstehen!
Aber nun zu den angenehmeren Dingen. Erstmals haben wir eine Pilzwanderung bei Abendstimmung und hereinbrechender Dunkelheit in unser Programm mit aufgenommen. Die Idee dazu hatte unsere Pilzfreundin Irena Dombrowa, als sie im vergangenen Jahr noch nach Feierabend mit Sohn Jonas im Wald auf Pilzsuche war und sie von der Fülle der Pilze (viele Maronen) ganz überrascht war. Da es aber bereits dunkelte, fiel ihr ein, dass sie im Auto noch zwei Stirnlampen hatte und sie sammelten noch weitere Pilze mit diesem willkommenen Hilfsmittel ein. Dabei stießen sie unverhofft auf ein großes Krause Glucken – Areal von ca. 10 Exemplaren. Diese waren mit Hilfe der hell leuchtenden Lampen besonders gut zu finden. Es machte ihnen derart Laune, dass sie spontan vorschlugen, auch mal eine Nachtwanderung ganz offiziell in unser Programm mit auf zu nehmen. Ich fand den Vorschlag ebenfalls sehr reizvoll und beschloss in diesem Jahr zum ersten mal eine Nachtwanderung mit anzubieten. Irena besorgte noch einige Stirnlampen und wir suchten das Gebiet am Radebach, bei Blankenberg, für unser Experiment aus. Natürlich sind hier gute Wanderwege vorhanden, denn wer sich bei Dämmerung und Dunkelheit, trotz Lampenlicht, nicht ins Dickicht des Waldes traut, kann gefahrlos auf diesen Wegen wandeln, bekanntlich stehen die schönsten Pilze oftmals am Wegesrand. Und Pilze gab es wider erwarten reichlich und vielfältig. War es am Beginn unserer Tour noch hell, so war nach etwa einer Stunde ohne unsere Lampen kaum noch etwas zu machen. Je dunkler es wurde, um so besser waren die Pilze im Lichtkegel unserer Stirnlampen zu erkennen. Wir waren begeistert und empfehlen das Pilze suchen bei Dunkelheit mit entsprechender Beleuchtung gerne weiter. Das Wetter konnte nicht besser sein. Windstille, funkelnder Sternenhimmel, laue Sommerluft und dazu das Rufen der Nachtvögel in ansonsten fast absoluter Waldesstille und die schönsten Pilze obendrein. Eine einzigartige und unvergessliche Erfahrung für uns alle, von der wir sicher noch lange zehren werden. Wenn nichts dazwischen kommt, so waren wir uns alle einig, wird es im nächsten Jahr eine Neuauflage geben.
Auch Jonas war natürlich mit dabei. Er hatte uns gleich noch einige große Anis -Champignons und Grüne Knollenblätterpilze mitgebracht, die er allen Anwesenden auch auf seine ganz speziellen Art und weise vorstellte.
Schließlich hatten Jonas und Mama Irena auch die Idee zu unserer Nachtwanderung.
Mit dabei war auch eine Journalistin von der Schweriner Volkszeitung. Gleich zu Beginn führte sie ein kurzes Interview mit unserem Urgestein Hans-Jürgen Willsch, der schon seit den 1950er Jahren mit dabei ist.
Während wir noch mit der offiziellen Begrüßung beschäftigt waren, wurden auch schon die ersten Pilze gefunden. Essbare Eichen – Filzröhrlinge (Xerocomus quercinus) gehören dieser Tage zu den häufigsten Röhrlingen.
An einem Buchenstumpf hat Jonas eine Buckel – Tramete entdeckt. Es benötigt schon einer kleinen Kraftanstrengung um diese holzigen Porlinge vom Substrat ab zu bekommen, aber Mama braucht sie zum Basteln.
Die Naturparkverwaltung des Sternberger Seenlandes hat längst der Wanderwege im Radebachtal sehr schöne und informative Schautafel aufgestellt, die hoffentlich noch lange unversehrt viel wissenswertes über den heimischen Wald vermitteln mögen. Leider hat das Gebiet derzeit durch radikalen Holzeinschlag erheblich an Attraktivität verloren, aber bis zum Jahr 2050 soll sich ja alles wieder zum positiven gewandelt haben!
Ganz besonders habe ich mich gefreut, unsere langjährige Pilzfreundin Angelika Boniakowski das erste mal auf einer unserer Pilzwanderungen begrüßen zu dürfen. Hier sehen wir sie bei der Begutachtung eines Breitblattes.
Das Breitblatt (Megacollybia platyphylla) ist der einzige, große Blätterpilz, der uns auf fast jeder Wanderung in diesem Jahr begleitet hat. Leider wird er heut zu tage als schwach giftig eingestuft.
Auch ein Hund war heute wieder mal mit dabei. Leider war er aber nicht auf Trüffeln spezialisiert und wird hier mit der Witterung von Buckel – Trameten vertraut gemacht.
Und dann entdeckte Pilzfreundin Helga Köster ihren ersten Flockenstieligen Hexen – Röhrling (Boletus luridiformis).Sie war eigentlich nicht auf Speisepilzsammeln eingestellt, nun gab es aber kein halten mehr und es sollte am Ende tatsächlich eine ausgiebige Mahlzeit zusammen kommen.
Auch einige Semmelstoppelpilze (Hydnum repandum) wanderten in die Sammelbehältnisse.
Auch der große Rotstielige Leder – Täubling (Russula olivacea) ist hier im Radebachtal zu hause. Als hervorragender Speisepilz kann er ebenfalls seinen Platz in den Körben der Sammler finden.
Violett, wie die Kleidung, kann der Hut des Frauen – Täublings sein. Aber auch blaue, grüne oder graue Farbtöne können ihn dominieren. Als einer der besten Speisepilze bereichert er die morgige Pilzpfanne.
Der Harte Zinnobertäubling (Russula rosacea) des Buchenwaldes ist zwar auch essbar, aber geschmacklich sehr minderwertig. Man kann sich an seiner Schönheit erfreuen.
Die pilzeiweißreichen und leicht verdaulichen Flaschen Stäublinge (Lycoperdon perlatum) sind essbar, solange sie im Inneren schneeweiß und der Kopf druckfest ist.
Inzwischen ist die Dunkelheit über uns herein gebrochen und wir überqueren die zweite Brücke des Radebachs.
Unter Lärchen entfalten junge Goldröhrlinge (Suillus grevillei) ihre Fruchtkörper, um im Reifestadium ihre Sporen dem Wind anzuvertrauen. Diese werden aber wohl eher mit ihrem Aroma den Gaumen eines Feinschmeckers erfreuen.
Pilzberaterin Irena Dombrowa wird mit zwei weiteren Täublingsfunden konfrontiert. Es handelt sich jeweils um einen minderwertigen Dickblättrigen Schwarztäubling und einen Zitronen – Täubling.
Pilzfreund Peter Kofahl war, wie so oft, der Truppe schon etwas voraus und verschnaufte kurz auf einem bemoosten Baumstumpf, um seine neuerlichen Pilzfunde eingehender zu betrachten.
Es wird Herbst!. Wenn die ersten schwach giftigen Gelblichen Knollenblätterpilze (Amanita citrina) auftauchen, beginnt der Pilzherbst. Damit liegt er voll im Trend, denn dieser Wachstumsaspekt findet von Mitte August bis Mitte Oktober statt.
Hans-Jürgen Willsch, Bärbel Wirth und Erika Wittenhagen von unserer Pilzgruppe schauen ihn sich nochmals unter dem Flutlicht ihrer Lampen an.
Wie ein Schwarm Glühwürmchen bewegen wir uns durch den stockfinsteren Wald. Ein außergewöhnlicher Pilzausflug, von dem wir wohl noch lange schwärmen werden!
Und wer taucht hier im Lichtkegel unserer Lampen auf, soll es ein Birkenpilz sein? Es ist aber keine Birke auszumachen! Der runzelige Hut, sein festes, schwärzendes Fleisch und der Standort unter Hainbuchen verraten den Hainbuchen Röhrling (Leccinum griseum) eindeutig.
Und alle einmal halt, für einen Schnappschuss zwischendurch. Alle sind hier aber leider nicht zu sehen, denn wir waren 16 an der Zahl!
Es bot sich heute Nacht auch eine gute Gelegenheit den essbaren Perlpilz (Amanita rubescens, links) mit seinem giftigen Verwechslungspartner, dem Pantherpilz (Amanita pantherina), zu vergleichen.
An diesem Sommersteinpilz – Pärchen haben sich schon die Schnecken gütlich getan. Jonas wollte sie aber unbedingt zum Trocknen mit nach hause nehmen, ansonsten wären sie auf der Ausstellungsfläche unserer Pilzausstellung gelandet.
Und dann ging es im Anschluss noch zur Bade- und Picknickstelle am Tempziner See in Blankenberg. Zahlreiche Sitzgelegenheiten, teils mit Überdachung, luden hier zum Verweilen ein.
Peter und Jonas bereiten das Grillkohlefeuer für unseren Dreibock vor, auf dem dann ein zünftiger Erbseneintopf zum Köcheln gebracht wurde.
Bärbel verteilt Kaffee und Tee, Irena schenkt die Pilz – Soljanka aus und Hans – Jürgen öffnet die Konservendosen mit dem Erbseneintopf. Es gab auch Bockwurst und Brötchen dazu.
Für einen ausgiebigen Imbiss ist die Mitternachtsstunde zwar eine etwas ungewöhnliche Zeit, aber dennoch schlug jeder kräftig zu, denn so viel frische Waldluft macht bekanntlich hungrig.
Und gegen 1.30 Uhr schließlich versammelten sich noch einmal alle Teilnehmer der ungewöhnlichsten Pilzwanderung, die wir je gemacht haben, zu unserem obligatorischen Abschlussfoto. 16 Pilzfreunde und ein Hund.
Da es uns derart viel Laune und Spaß machte, bei nächtlicher Dunkelheit den geheimnisvollen Wald auf der Suche nach Pilzen zu durchstreifen, waren sich alle einig, im nächsten Jahr wird es eine Neuauflage geben!
Und wann geht es wieder in die Pilze? – Siehe unter Termine!