Öffentliche Pilzlehrwanderung
Es ging heute von Warin bis Blankenberg
Die Semmelstoppelpilze (Hydnum repandum) könnten von oben zunächst für kräftige Pfifferlinge gehalten werden. Beim Umdrehen der Fruchtkörper ist aber sofort alles klar, kein Pfifferling! Dieser hätte nämlich Leisten auf der Unterseite, hier sind es Stacheln! Das macht aber nichts, denn auch er darf in den Sammelkorb zu den Speisepilzen gelegt werden. Die Art ist auch in den Wäldern um Warin und Blankenberg punktuell anzutreffen, insbesondere auf den schattigen, mit Rotbuchen bestandenen Hangterrassen des Radebachtals, wo wir sie auch heute fanden. Hier entstand auch dieses Standortfoto am 10.08.2012.
Am Sonnabend, dem 24. August 2013, lud der Steinpilz – Wismar wieder zu einer öffentlichen Pilzlehrwanderung ganz herzlich ein. Treff war um 08.00 Uhr auf dem Parkplatz direkt hinter dem ZOB, in der Wismarer Wasserstraße. Mit den vorhandenen Autos starteten wir wenig später in Richtung Warin. Hier erwarteten uns noch weitere Teilnehmer u. a. auch Irena, Jonas und Andreas aus Graal – Müritz. Die ausgedehnten Wälder zwischen Warin und Blankenberg haben für jeden Geschmack etwas zu bieten. Sandige Nadel- und Laubwälder ebenso wie teils kalkhaltige Buchenwaldstandorte entlang des Radebachs. Wir nutzten heute beide Varianten, dass heißt, zunächst durchwanderten wir ein Stück weit den normalen Forst zwischen Warin und Blankenberg, um schließlich das letzte Ende im interessanten und wildromantischen Radebachtal zu verbringen. Inzwischen hat eigentlich schon die Hochsaison bei den Pilzen, also der Pilzherbst, begonnen, aber das relativ trockene Wetter hält das Pilzaufkommen weiterhin eher in Grenzen. Dennoch haben wir heute überraschend gut gefunden. Es war sowohl hinsichtlich einer Lehrwanderung recht artenreich und vielfältig und auch die Kochtopfmykologen kamen auf ihre Kosten. Dadurch zog sich unsere heutige Tour auch bis zum frühen Nachmittag hin.
Kurze Zeit nach dem wir in den Wald eintauchten, erblickten wir im Gebüsch einen Halbkreis Kahler Kremplinge (Paxillus involutus), die uns signalisierten, dass trotz relativer Trockenheit frische Pilze erschienen sind und uns motivierten, die Augen etwas offener zu halten. Der Kahle Krempling ist roh stark giftig, kann aber auch nach ausreichender Garzeit bei wiederholtem Genuss zu schweren, allergischen Reaktionen führen. Deshalb gilt schon seit Jahrzehnten der Slogan „Hände weg vom Kahlen Krempling“!
Und dieser Wink der Kahlen Kremplinge, sollte sich auch bald auszahlen. Direkt am Wanderweg standen fünf wunderbar frische und feste Steinpilze (Boletus edulis), von denen ich die beiden schönsten hier fotografiert habe.
Ebenfalls am Wegesrand hin und wieder kleine Trupps des Gelbbräunlichen Trichterlings (Clitocybe gibba). Die Art ist ein typischer Wegrandpilz, besonders in den Sommermonaten. Essbar, aber Vorsicht, es gibt eine ganze Reihe giftiger Trichterlinge!
Immer wieder auch Vertreter der Filzröhrlinge. Hier sehen wir den farbenfrohen Blutroten Röhrling (Xerocomus rubellus). Trotz seiner roten Färbung ist er essbar und darf in den Speisepilzkorb gelegt werden.
Zu den Filzröhrlingen zählen auch diese ungleich häufigeren Rotfüßchen (Xerocomus chrysenteron). Ihr zartes und saftiges Fleisch riecht und schmeckt leicht säuerlich.
Erstaunen riefen die großen Fruchtkörperrosetten bei einigen Pilzfreunden hervor, die den Meripilus giganteus, also dem Riesenporling, noch niemals in freier Wildbahn angetroffen haben. Solange seine schwärzenden Fruchtkörper noch zart und saftig sind, können sie sogar gegessen werden.
Andreas hatte aus Graal – Müritz heute sein Fahrrad mitgebracht und war nicht zu beneiden, es über Stock und Stein auf unserer heutigen Wanderung zu schieben. Aber er wollte im Anschluss noch zu einigen, weiter auseinanderliegenden Pilzstandorten fahren, und da ist ein Fahrrad natürlich sehr hilfreich.
Der schlanke und elegante Wurzel – Schleim Rübling (Xerula radicata), war uns heute ein ständiger Begleiter. Sein unterirdisch verlängerter Stiel (Wurzel), entspringt einer Baumwurzel und kann bis zu einem halben Meter lang werden.
Hier sehen wir zwei Röhrlinge, die besonders intensiv blauen. Der obere ist ein Flockenstieliger Hexen – Röhrling (Boletus luridiformis) und der Untere der Schwarzblauende Röhling (Boletus pulverulentus).
An einem alten Eichen – Stubben kamen einige Konsolen des jung essbaren Schwefelporlings (Laetiporus sulphureus) heraus. Dieser jung schmackhafte Porling sollte aber von Eiche vor der Zubereitung lieber gewässert werden, da er bittere Gerbstoffe des Eichenholzes enthalten könnte.
Der große Rotstielige Leder – Täubling (Russula olivacea) ist auf den kalkhaltigen Böden des Radebachtales zu hause. Er gilt als guter Speisepilz, kann aber in Ausnahmefällen auch Unverträglichkeitsreaktionen auslösen.
Der pochharte Zinnobertäubling (Russula rosacea) zählt zu den schönsten Großpilzen unserer Rotbuchenwälder. Leider soll er nicht sonderlich gut schmecken und muss als minderwertig gelten. Dafür kann man sich an seinem Anblick erfreuen.
Der schönste und herausragendste Fund der heutigen Wanderung waren allerdings diese seltenen Löwengelben Dachpilze (Pluteus leoninus). Die Art ist bereits aus dem Radebachtal bekannt, aber trotzdem immer wieder ein Erlebnis.
Beeindruckend war heute auch ein Massenvorkommen des ebenfalls bis zuletzt recht seltenen Sommer – Austernseitlings oder Lungen . Seitlings (Pleurotus pulmonarius) auf liegenden Buchenstämmen und dickeren Ästen im Radebachtal. Im Gegensatz zum normalen Austernseitling, der frostige Temperaturen als Wachstumsauslöser benötigt, ist dieses eine wärmeliebende Art und soll besonders zahlreich während der hochsommerlichen Hitzeperioden erscheinen. Die Pilze sind dünnfleischiger und zarter als beim herkömmlichen Austernseitling und sehr hell, ja fast weißhütig. Standortfoto.
Und dann im schattigen Buchengebüsch wieder Prachtstücke des Flockenstieligen Hexen – Röhrlings (Boletus luridiformis). Die beiden sind allein schon eine ausgiebige Mahlzeit und unsere Pilzfreundin Helga Köster wird sich die Pilze schmecken lassen.
Seit Jahren beobachte ich hier im Radebachtal eine merkwürdige Hexen – Röhrlingsart, die ich nie richtig einordnen konnte. Er scheint wie eine Mischung aus Flockenstieliger-, Neztstieliger- und Weinroter Hexen – Röhrling. Dank der Intervention von Andreas Okrent bei dem Röhrlingsexperten Jürgen Schreiner, konnten wir dem Burschen schon deutlich näher kommen. Erst kürzlich wurde ein neuer Hexen – Röhrling beschrieben, der noch kaum in der Literatur zu finden ist, aber im Internet sind schon einige Vergleichsabbildungen und Beschreibungen vorhanden. Es dürfte sich höchstwahrscheinlich um diesen „neuen“ Hexen – Röhrling mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Boletus mendax handeln. Einen deutschen Namen konnte ich noch nicht finden, aber vielleicht fällt mir oder jemanden anderes noch einer ein.
Dazu kommen noch diese taufrischen Gold – Röhrlinge (Suillus grevillei), eine Butterpilzart die stets unter Lärchen zu finden ist.
Benötigt der Gold – Röhrling immer die Lärche als Partner, so sind diese Kupferroten Gelbfüße (Chroogomphus rutilus) immer auf die Kiefer angewiesen. Das Fleisch des markanten, unverkennbaren Pilzes, verfärbt sich während der Zubereitung violett und gibt dem Pilzgericht eine sehr interessante Farbkomponente. Er ist ein guter, leicht kenntlicher Speisepilz.
Sehr markant ist auch der zerstreut vorkommende Grüngefelderte Täubling (Russula virescens). Er gilt als wertvoller Speisepilz der Edelklasse und wird von Kennern mit dem Steinpilz in eine Stufe gestellt.
Und wie es sich gehört, das Beste kommt zum Schluß. Ein kapitales Büschel von vier Flockenstieligen Hexen – Röhrlingen (Boletus luridiformis) + ein Nebenexemplar. Das sind weit mehr als ein Kilo Frischpilze auf einen Schlag! 2013 ist definitiv das Jahr der Flockenstieligen Hexen – Röhrlinge. Seit Mai sind sie unentwegt am wachsen und lassen sich auch durch die Trockenheit kaum beirren. Wir wünschen guten Appetit!
Unser obligatorisches Gruppenfoto anlässlich unserer Wanderung von Warin bis Blankenberg. Es war uns heute eine ganz besondere Ehre, in unserer Mitte auch den Bürgerschaftspräsidenten der Hansestadt Wismar und Mitglied der „Für Wismar Fraktion“ innerhalb des Stadtparlamentes, Herrn Dr. Gerd Zielenkewitz, begrüßen zu dürfen (Mitte). Seine Anwesenheit gilt uns als Zeichen, dass die vielfältigen Aktivitäten der Pilzfreunde auch an höchster Stelle in unserer Stadt wahrgenommen und gewürdigt werden. Vielen Dank auch Andreas Okrent und allen Beteiligten, dass sie sich nochmals für das heutige Erinnerungsfoto in Stellung brachten, denn mit meiner Kamera war heute leider kein Staat zu machen.
Wann geht es wieder in die Pilze? – Siehe unter Termine!