Öffentliche Pilzlehrwanderung
Sie führte von Alt Necheln bis zum Roten See
Ausgangspunkt der heutigen Wanderung war das alte Gutshaus in Alt Necheln.
Am Sonnabend, dem 02. April 2016, eröffneten wir die neue Saison mit einer öffentlichen Pilzwanderung. Treff war um 09.00 Uhr auf dem schmalen Parkplatz am Wismarer Omnibusbahnhof, in der Wasserstraße/Ecke Kopenhagener Straße. Mit den vorhandenen PKWs fuhren wir von hier aus zu unserem Zielgebiet, an die Warnow bei Alt Necheln, im Landkreis Ludwigslust – Parchim. Auf dem Parkplatz vor dem imposanten Gutshaus erwarteten uns gegen 09.45 Uhr weitere Teilnehmer aus Lübeck, Bützow, Keez und Schöneiche bei Berlin. Unter dem Motto „Unsere Großpilze im Wandel der Jahreszeiten“ starteten wir pünktlich zum Frühlingsaspekt mit unseren Wanderungen, die uns bis November in die unterschiedlichsten Regionen im westlichen und zentralen Mecklenburg führen werden. Da es in erster Linie Lehrwanderungen sind, in denen es also hauptsächlich darum geht, seinen Horizont im Hinblick auf die Pilzkunde zu erweitern, lag auch heute das Hauptaugenmerk nicht auf gut gefüllte Körbe mit Speisepilzen, was ohnehin zu dieser frühen Jahreszeit eher unwahrscheinlich ist, sondern auf dem dazulernen, auch im Hinblick auf den achtungsvollen Umgang mit der Natur, in der auch unsere Großpilze eine außerordentlich wichtige Rolle spielen. Natürlich wird es im Laufe des Jahres auch Wanderungen geben, an denen das Angebot an Speisepilzen entsprechend hoch sein wird und jeder, der es möchte, mit einer schmackhaften Pilzmahlzeit heimkehren wird. Das Wetter war für unseren Jahresauftakt wie geschaffen. Milde Luft und viel Sonne in einer herrlichen Natur und auch einige sehr interessante Pilzarten machten die heutige Tour zu einem echten Erlebnis. Bachtäler, wie auch das heutige Warnowtal, sind besonders im Frühling eine gute Adresse, denn hier können etwas später mitunter reichlich Morcheln oder Maipilze auftauchen. Bevor es allerdings von Alt Necheln los ging, mussten noch Fahrzeuge zum Roten See gefahren werden, denn wir wanderten heute von A nach B. Hier wie immer einige Eindrücke:
In Höhe der 2 Männerbrücke starteten wir zu unserer Wanderung.
Wir folgten dem Fluss der Warnow einige Kilometer in Richtung Weitendorf.
Zunächst jedoch überreichte ich unserem Dienstältesten Pilzfreund Hans – Jürgen Willsch zu seinem kürzlich begangenen Geburtstag einen lachenden Kaktus, denn sein Interesse gilt nicht nur den Pilzen, sondern er ist auch ein begeisteter Kakteen – Züchter! Foto: Christopher Engelhardt.
Hier lupt Christopher Engelhardt aus Lübeck alte Brennnesselstängel aus dem Vorjahr nach kleinen Ascomyceten ab. Die orangen Brennnesselbecherchen sind selbst auf diesem Foto schon zu erahnen, aber wo ist sein Bruder, der noch etwas kleinere und schwarze Leptosphaeria acuta?
Es dauerte nicht lange und auch dieser konnte gefunden werden. Das Pilzchen ist auch mit bloßem Auge beim genauen Hinschauen zu erkennen. So zeigt Christopher unseren weitgereisten Pilzfreunden aus Schöneiche bei Berlin diese winzigen Gesellen, die in unserer Flora großes leisten, aber kaum beachtet und wahrgenommen werden.
Hier sehen wir das Orangefarbene Brennnesselbecherchen (Calorina neglecta), wie die neuere wissenschaftliche Bezeichnung lautet, in starker Vergrößerung. Im originalen max. 1 mm im Durchmesser. Foto: Chris Engelhardt.
Eine ansehnliche Größe und möglichst Hut und Stiel sollten sie schon haben, um von vielen als Pilze angesprochen und wahrgenommen zu werden. Hans Jürgen Willsch fand dann auch sogleich diese beiden Frühlingsmürblinge (Psathyrella spadiceogrisea). Bei zahlreicherem Vorkommen durchaus für ein Pilzsüppchen geeignet.
Aber nun ging es endlich großen Schrittes los.
Vorbei an Haus Biber und Co., einer Einrichtung des NABU, dem übrigens auch ich angehöre.
So bewacht auch dieser liebenswürdige Geselle Biberhaus sowie eine begehbare Biberburg gleich daneben.
Auf der Unterseite eines auf dem Boden liegenden Nadelholzstammes wuchs in flächiger Ausdehnung (Resupinat) die Grauweiße Nadelholz – Tramete (Diplomitoporus lindbladii).
Hügelige Wiesen und Wälder, eine landschaftliche Perle unserer mecklenburgischen Heimat, stark eiszeitlich geprägt.
Ruhig durchfließt die Warnow die abwechslungsreiche Landschaft.
Das ganze Gebiet ist sehr naturbelassen, so dass bei einer möglichen Kanu – Tour immer mal mit einem Hindernis zu rechnen ist und das Kanu kurz an Land geholt und umgesetzt werden muss. So des Öfteren Geschehen, als ich mit Jonas im Sommer vor zwei Jahren hier entlang schipperte.
Christopher Engelhardt und Klaus Warning aus Bützow haben wieder etwas pilziges an einem Knüppel entdeckt.
Es dürfte sich um den Kleinsporigen Knorpelporling (Skeletocutis nivea) handeln.
Die Anemonen haben ihre Blüten entfaltet und bilden in manchen Wäldern gewaltige Massenbestände.
Wesentlich seltener sind da schon die blauen Leberblümchen.
Ein junges Judasohr (Hirneola auricula – judae) an einem feucht liegenden Buchenstamm. Ein unverzichtbarer Bestandteil der asiatischen Küche.
Der in früheren Jahren in unseren Breiten seltene Laubholz – Harzporling (Ischnoderma resinosum) ist inzwischen in fast jedem besseren Buchenbestand anzutreffen. Die Fruchtkörperkonsolen sind einjährig, so dass wir hier bereits abgestorbene Fruchtkörper aus dem letzten Jahr sehen.
Der ungenießbare Winter – Stielporling (Polyporus brumalis) wird ab April vom sehr ähnlichen Mai – Stielporling abgelöst. Dessen Poren sind wesentlich feiner und mit bloßem Auge kaum auszumachen.
Unverkennbar mit seinem labyrinthischen Hymenophor auf der Unterseite ist der häufige Eichenwirrling (Daedalea quercina). Ein wunderbarer Deko – Pilz und durch seine lange Haltbarkeit auch zum Anfertigen von Naturschmuck wie Gestecken bestens geeignet. Aus diesem Grunde ist er gelegentlich sogar in Baumärkten und Bastelshops erhältlich.
Daedalea quercina, dem Labyrinth ganz nahe, aufgenommen von Chris Engelhardt.
An der Unterseite von verrottetem Holz fanden wir diese grünlichen Beläge. Es handelt sich nach näherer Untersuchung von Christopher Engelhardt um das Konidienstadium (Trichoderma viride) des Rotbraunen Scheibenpustelpilzes (Hypocrea rufa).
Hier das dazu gehörige Sporenbild, das Christopher Engelhart mit genauesten Sporenabmessungen erstellt und fotografiert hat.
Ein sehr häufiger, 0,5 bis 2 mm im Durchmesser erreichender Ascomycet an feucht liegendem Laubholz von Eichen und Buchen und hier in der Regel auf der Unterseite fruktifizierend, ist das Schneeweiße Haarbecherchen (Dasyscyphus niveus). Christopher hat es für uns mit einer Spezialkamera fotografiert.
Die gleiche Art noch etwas näher herangeholt. Eine verborgene Wunderwelt, die kaum von einem Mykophagen war genommen wird. Foto: Chris Engelhardt.
Ähnlich winzig diese kleinen Aschgrauen Weichbecherchen (Mollisia cinerea), eine sehr häufige Schlauchpilzart an feucht liegendem Eichenholz. Auch ein Foto von Chris.
Unser Weg führte uns auch am ehemaligen Standort einer alten Dorfschule vorbei, von der heute nur noch Fundamentreste und Ziegel übrig sind.
Der sterile Überrest eines Hasen – Stäublings (Calvatia utriformis) aus dem letzten Jahr.
Die Wanderung neigt sich ihrem Ende zu.
Und wie es sich gehört, das Beste ganz zum Schluss. Österreichische Kelchbecherlinge (Sarcoscypha austriaca) am Roten See. Einfach immer wieder eine Augenweide, aber nichts für den Feinschmeckergaumen, da ungenießbar.
Der Rote See von der Badestelle aus am Nachmittag des 02. April 2016 in der warmen Frühlingssonne.
Direkt an der Böschung zur Badestelle einige schöne Schildförmige Scheibenlorcheln (Gyromitra ancilis). Gut durchgegart können sie gegessen werden.
Wir machten es uns nun auf dem Außenbereich der dortigen Blockhütte gemütlich und ließen es uns beim Mittagstisch mit nicht nur pilsigen Getränken und Eisbechern gut gehen. Ein würdiger Abschluss eines sehr schönen Pilzwandertages.
Der in der Nachmittagssonne grünlich schimmernde Rote See aus einer etwas anderen Perspektive.
Unser obligatorisches Abschluss Foto. Wir waren zwar nur eine relativ kleine Truppe, aber umso gemütlicher ging es heute zu. Brüel, Roter See, am 02. April 2016.
Im Übrigen wurde natürlich auch heute wieder kartiert. Wir konnten 31 Großpilzarten und 10 Vogelarten feststellen. Für letzteres sind Chris und Andrea Engelhardt besonders sensibilisiert, denn die Mykologie ist nur eines ihrer vielseitigen Steckenpferde und ihres umfänglichen Interesses (und Wissens) an Flora und Fauna, und das nicht nur der Mitteleuropäischen. Sie treiben sich diesbezüglich nahezu in der ganzen Welt herum. Es macht einfach riesigen Spaß, wenn sie mit dabei sind, man kann von ihnen vieles Lernen. Insbesondere den kleinen Winzlingen unter den wohl noch Großpilzen, gilt zunehmend ihre Aufmerksamkeit. Diesbezüglich erweist sich Torsten Richter vom Rehnaer Pilzverein als großer Lehrer, mit dem Chris vieles gemeinsam macht, denn er beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem „Kleinzeug“, den Mini – Ascos, in Wald iund Flur, die für den Erhalt unsere Umwelt und unseres Lebens auf der Erde entscheidendes Leisten. Gerade kürzlich wurde von ihnen ein kleines Büchlein erarbeitetet, das etwa 150 solcher Pilzarten aus dem Löwitzer Holz bei Rehna enthält. Sie auch unter „Pilzverein Rehna“.
Wann startet die nächste Pilzwanderung? – Siehe unter Termine!