Pilzvergiftungen 2017
Pilzvergiftungen oder Verdachtsfälle 2017
21.07.2017 – Anruf von einer besorgten Mutti aus Lübeck, die Angst um ihr 14 Monate altes Kleinkind hat. Das Kind hat beim Spielen auf einer Wiese, neben dem Sandkasten, einen Pilzhut verschluckt. Gleich daneben wachsen sie in einem Kreis. Die Pilze sind weiß, so berichtete Sie mir am Telefon. Meine Nummer hatte sie von der Giftnotrufzentrale erhalten. Ich hatte natürlich bereits einen Verdacht, aber ich bat sie, mir mindestens ein aussagekräftiges Foto von den Pilzen zu schicken. Gesagt, getan, nach kurzer Zeit hatte ich Bilder vom Hexenring und von den Einzelfruchtkörpern. Es waren wie vermutet Nelkenschwindlinge. Da aber von weißen Pilzen die Rede war, Nelkenschwindlinge sind ledergelblich gefärbt, mußte ich ausschließen, dass hier nicht doch irgendwelche Trichterlinge im Spiel waren. Wiesentrichterlinge können hochgradig giftig sein! Ich teilte ihr mein Resultat mit und konnte demzufolge Entwarnung geben. Da aber Nelkenschwindlinge etwas Blausäure enthalten, können sie zumindest in größeren Mengen roh durchaus giftig wirken. Meine Empfehlung, bevor das Kind nochmals auf die Idee kommt, die Pilze mit dem Mund zu erkunden, vorher absammeln und ein schmackhaftes Pilzgericht zubereiten!
24.07.2017 – Am Vormittag erreichte mich ein Anruf aus einer Schweriner Kita. Ein etwa einjähriges Kleinkind hat einen Pilz im Mund gehabt, der auf der Wiese des Geländes wuchs. Die Giftnotruf – Zentrale hatte mich vermittelt und mitgeteilt, dass ich telefonisch eventuell helfen könnte. Telefonisch ist gut, aber ich muss die Pilze sehen, um die es sich handelt, so meine Antwort. Ich bräuchte aussagekräftige Fotos. Nach der Frage meinerseits, welche Bäume sich in der Nähe befinden, wurde eine junge Eiche genannt. Bei Eichen herrscht immer höchste Alarmstufe, können hier doch tödliche Grüne Knollenblätterpilze, stark giftige Pantherpilze oder auch Rißpilze stehen. Ich vermutete aber eher wieder Nelkenschwindlinge, was sich nach dem zusenden der Fotos auch bestätigte. Andere Pilzarten sollen dort nicht gesichtet worden sein. Als ich mitteilte, dass es sich um einen guten Speisepilz handelt, war spürbare Erleichterung zu vernehmen. Inzwischen wurde aber die Mutti über den Vorfall unterrichtet und befand sich auch schon mit einer Pilzprobe auf dem Weg zum Arzt.
03.08.2017 – Pilzberaterin Irena Dombrowa aus Keez, bei Brüel, wird in die Helios – Kliniken nach Schwerin zitiert. Zwei Patienten (männlich/weiblich, Mitte fünfzig) klagen nach einer selbst gesammelten Pilzmahlzeit über heftige Brechdurchfälle. Die Symptome traten etwa 12 Stunden nach der Mahlzeit auf! Das ist ein Alarm – Signal, denn so eine lange Latenzzeit könnte ein Hinweis auf eine Amanita phalloides Intoxikation sein. Es waren auch Putzreste vorhanden, in denen ich aber nur Schwarzblauende Röhrlinge finden konnte. Es soll aber auch ein Champignon und „grünliche Perlpilze“ dabei gewesen sein! Irena besorgte sich darauf hin von meiner Pilzausstellung einen Grünen Knollenblätterpilz und einen Perlpilz, um sie den Patienten zu zeigen. Die Klinik hat vorsorglich ein Antidot im Hinblick einer möglichen Knollenblätterpilz – Vergiftung verabreicht, denn die Auswertung der Labor – Werte auf mögliche Amatoxine wird erst morgen früh gegen 08.00 Uhr erwartet. Hoffen wir, dass es nicht zum schlimmsten kommt!
Nachtrag vom 16.08.2017
Irena informierte mich, dass es sich tatsächlich um eine Amanitin – Intoxikation von Amanita phalloides, also dem Grünen Knollenblätterpilz, gehandelt hat. Beide Patienten hatten Glück und konnten gerettet werden. Insbesondere für die Frau sah es offensichtlich dramatisch aus und die inneren Organe, insbesondere die Leber, wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Patienten sind derzeit noch krank geschrieben, befinden sich aber auf dem Wege der Besserung.
08.08.2017 – Irena wurde heute Abend wieder in das Schweriner Klinikum gerufen. Ein offensichtlich unter Demenz leidender Patient hätte möglicherweise den Stiel eines roh giftigen Netzstieligen Hexen – Röhrlings gegessen. Auch ein zerzauster und alter Dunkelblättler war auf einem Foto, das sie mir zusandte, zu sehen. Ob es sich um einen Rißpilz handelte, konnte ich auf dem Bild nicht eindeutig erkennen. Ich denke, der Patient wurde vorsorglich von einem Betreuer in die Klinik gebracht oder war selbst schon Patient der Klinik. Irgendwelche Symptome waren zumindest im Moment nicht auszumachen.
16.08.2017 – Telefonisch meldete sich heute bei mir eine Betreuerin einer Einrichtung für Behinderte in Grevesmühlen. Ein Kind hat offensichtlich ein etwa fingernagelgroßes Stück eines Pilzes, der unter einer Birke wuchs, gegessen. Vorher hatte sie sich bereits bei der Gift – Notrufzentrale gemeldet. Diese verweisen in der Regel auf die dort registrierten Pilzberater in der jeweiligen Region. So wurde auch der Wariner Pilzberater Werner Voß bereits telefonisch konsultiert und ihm wurden offensichtlich auch Fotos des Pilzes zugesandt. Nach seiner Einschätzung könnte es sich um Rißpilze handeln. Diese artenreiche Gattung besteht fast nur aus Muskarin – haltigen Pilzen, sind also mehr oder weniger giftig. Zum Zeitpunkt des Telefonats meinerseits waren bei dem Kind keinerlei Symptome zu erkennen. Es wurden von der Mutter noch Fruchtkörper der infrage kommenden Pilzart eingesammelt. Ich empfahl zunächst abzuwarten. Sollten sich tatsächlich Anzeichen einer Vergiftung einstellen, sofort in ärztliche Behandlung begeben und die Pilze mit in die Klinik nehmen. Bei einem Fingernagelgroßen Stück dürfte aber wohl nicht all zu viel passieren, selbst wenn der Pilz giftig ist.
12.09.2017 – Ein Anruf aus Lübeck. Ein Kind hätte ein Stück eines Baumpilzes gegessen. Ich bat um ein aussagekräftiges Fotos. Leider waren die beiden Bilder alles andere als aussagekräftig und ich konnte keinerlei Rückschlüsse gewinnen, um welche Art es sich handeln könnte. Mit der Anfrage auf bessere Fotos wurde mir mitgeteilt, dass das Handy leider keine besseren Bilder macht. Was nun daraus geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
08.10.2017 – Am späteren Abend erhielt ich einen Anruf von einer jungen Dame aus Wismar. Sie und vor allem ihre Tochter klagten über Unwohlsein, Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen nach einer etwa 2 Stunden zurückliegenden Pilzmahlzeit. Am Tage wurden Pilze gesammelt, abends zubereitet und verzehrt. Die Mahlzeit bestand aus Maronen – Röhrlingen, Derben Rotfüßchen und Hallimasch. Gegessen hatten drei Personen, Vater, Mutter und die 12 jährige Tochter. Der Vater hat nur probiert, Mutter und Tochter haben gut rein gehauen. Ich fuhr sogleich von zu hause in die Beratungsstelle, wo wir einen sofortigen Besichtigungstermin mit den Putzresten vereinbarten. Es waren nur Reste der erwähnten Pilzarten auszumachen, also keine wirklichen Giftpilze im engeren Sinne. Die Reste der Maronen – Röhrlinge waren allerdings schon sehr grenzwertig, wobei mir versichert wurde, dass im Gericht festfleischigere Exemplare verwendet und die alten und madigen aussortiert wurden. Beim Hallimasch wurden auch die Stiele verwendet und die gnubbeligen Hüte der noch jungen, geschlossenen Pilze, im ganzen zubereitet. Auch wurde nicht auf die Einhaltung von mindesten 20 Minuten Brat- oder Kochzeit geachtet. Das bei Hallimasch empfohlene blanchieren und wegschütten des Kochwassers erfolgte auch nicht. Zusätzlich zu den Kopfschmerzen und dem allgemeinen Unwohlsein hatte sich auch ein unangenehm pelziges, belegtes Gefühl auf der Zunge und im Mund allgemein eingestellt. Dieses könnte mit der unzureichenden Garzeit der roh recht stark giftigen Hallimasch zusammen hängen, da sie dann einen zusammenziehenden, seifigen Geschmack aufweisen, der durchaus längere Zeit wahrnehmbar sein kann. Erbrochen wurde bis zu diesem Zeitpunkt aber nicht. Ich bat die Putzreste trotzdem wieder mit zu nehmen und noch bis zum nächsten Tag aufzubewahren, falls doch noch ein Klinik – Aufenthalt bei Verschlechterung des Allgemeinzustandes nötig werden sollte, um eventuell Material für eine Labor – Untersuchung zu haben.
14.10.2017 – Während unseres Pilzseminars in Keez ereilte uns ein Anruf über Unwohlsein einer etwas reiferen Dame nach Genuss von selbst gesammelten Champignons auf einer Wiese bei Groß Raden. Bauchschmerzen und Übelkeit traten aber erst einen Tag nach der Mahlzeit auf. Wir baten darum, mit den noch vorhandenen Pilzen und Putzresten bei uns in Keez vorbei zu kommen. Zusammen mit ihrem Partner kam sie wenig später mit der gesammelten und verzehrten Pilzart vorbei. Es handelte sich ausnahmslos um Anis – Champignons. Es wurde versichert, dass die Pilze weit ab von Bäumen gesammelt wurden, da die Gefahr einer Knollenblätterpilzvergiftung ausgeschlossen werden musste. Erkrankt war nur die Frau, der Partner hatte zwar auch gegessen, blieb aber ohne Beschwerden. Ihr Zustand verschlechterte sich dramatisch und sie übergab sich. Zeit den Notarzt zu rufen, der wenige Minuten später vor Ort war, sie untersuchte und mit in die Klinik nahm. Ein Teilnehmer unseres Pilzseminars, der in Sternberg wohnt, fuhr am folgenden Morgen zu der Wiese, wo die Pilze gesammelt sein sollten. Er fand ebenfalls Anis – Champignons und Riesen – Schirmpilze. Echte Parasole, keine Gift – Riesenschirmpilze! Wir konnten also nicht klären, ob es sich tatsächlich um eine Pilzvergiftung handelte oder ob eine andere Ursache die Beschwerden auslöste, da es dem Mann offensichtlich gut ging. Eine kurze Info der Patientin zwei Tage später schloss eine Pilzvergiftung als Krankheitsursache aus!
27.10.2017 – Ein Anruf bei Pilzberaterin Irena Dombrowa in Keez aus Schwerin. Ein Kleinkind (1 Jahr) hat möglicherweise einen oder vielleicht auch mehrere kleine Pilze gegessen, die im Rasen auf dem eigenen Grundstück wuchsen. Die Mutter ist inzwischen mit dem Kind auf Empfehlung von Irena in die Notaufnahme einer Schweriner Klinik gefahren. Irena gab ihr meine Internet – Adresse, mit der Bitte, mir ein Foto von besagtem Pilz zu senden, welches auch kurze Zeit später bei mir einging. Es war ein kleiner, filigraner Tintling zu sehen. Ich vermutete den Gesäten Tintling. Später sandte die Mutter mir noch ein Standortfoto zu, welches auf eine andere, kleine Tintlingsart hinwies, die meiner Ansicht nach nur mikroskopisch näher bestimmbar gewesen wäre. Da aber von diesen Kleintintlingen kaum eine Gefahr ausgeht und ich dieses auch dem behandelnden Arzt telefonisch mitteilte, wurde der Sachverhalt so aufgenommen und Mutter und Kind durften die Klinik bald wieder verlassen.