Im Land der Hexen und Teufel
Kleine Harzreise vom 10. – 13. August 2017
Nicht nur in der Walpurgisnacht, auch im Rest des Jahres ist man im Harz nie ganz sicher vor Hexenspuk und Teufelswerk.
Vom 10. – 13. August fuhren Irena, Jonas und ich zu einem Kurzbesuch in den Harz. Harz bedeutet eigentlich Bergwald und wurde im Mittelalter Hart ausgesprochen. Er ist das höchste Gebirge Norddeutschlands. Große Flächen des Harzwaldes wurden in früheren Jahrhunderten abgeholzt, teils aus wirtschaftlichen Gründen für den Bergbau oder für die zahlreichen Schnapsbrennereien, teils aus der Not heraus um Brennstoff für den Winter zu gewinnen, da die in den Bergwerken gefundene Kohle nur einen sehr niedrigen Heizwert besaß. Die Wälder wurden wieder aufgeforstet und im Nationalpark Harz befinden sich noch ursprüngliche Waldgesellschaften, die unter Schutz gestellt wurden. Die hügeligen Hochflächen werden größtenteils landwirtschaftlich genutzt. Der Harz ist Wintersport – und Wandergebiet. Letzteres haben auch wir ausgiebig wahrgenommen und erstiegen uns den höchsten Gipfel Norddeutschlands, den Brocken. Natürlich kamen wir nicht drumherum, uns auch die Pilzflora vor Ort etwas näher anzuschauen. Zu einer mykologischen Tagesexkursion hat es zwar nicht gereicht, aber dennoch konnten wir einen kleinen Eindruck von der vielfältigen Pilzflora dieses Gebirges gewinnen. Ermöglicht hat dieses vor allem Regentief Alfred, das zuvor Unmengen an Wasser auf den Harz abregnen ließ, so dass die Pilzflora richtig aufblühen konnte. Hier einige Impressionen:
Einquartiert hatten wir uns in der Jugendherberge Falkenstein, am Fuße der gleichnamigen Burg. Sie liegt in waldreicher Umgebung und schon von hier aus kann man ausgedehnte Wanderungen beispielsweise durch das Naturschutzgebiet Selketal unternehmen. Die Jugendherberge wurde übrigens im Jahre 1974 vom damaligen 1. Sekretär der FDJ, Egon Krenz, höchstpersönlich eröffnet.
Freitag, der 11. August
1. Spontanstopp in einem Bergfichtenwald in Hanglage.
Dicke Moospolster auf oft steinigem Untergrund erfordern ein vorsichtiges Gehen.
Eine der ersten Pilzarten, die wir in der Nadelstreu des Fichtenwaldes fanden, waren diese Anis – Champignons (Agaricus spec.). Essbar.
Aber so wie bei uns auch, gab es hier Safran – Schirmpilze (Macrolepiota rhacodes) und Rotfüßchen (Xerocomus chrysentheron).
Bei uns eher unter Buchen, wuchsen die großen Stinktäublinge (Russula foentens) hier im reinen Fichtenwald. Ungenießbar.
Natürlich täuschten auch hier inmitten von Maronen und Steinpilzen lecker aussehende Gallen – Röhrlinge (Tylopilus felleus) gute Speisepilze vor.
Über den bei uns extrem seltenen Porphyrröhrling (Porphyrellus porphyrosporus) habe ich mich riesig gefreut. Der Düstere Röhrling, wie er auch genannt wird, ist fast nur in montanen – Laub- und Nadelwäldern anzutreffen und kann hier sogar Massenbestände ausbilden. Essbar, aber minderwertig.
In der Nachbarschaft immer wieder Maronen – Röhrlinge (Xerocomus badius) und einzelne Fichtensteinpilze (Boletus edulis).
An einem liegenden Fichtenstamm entdeckte Irena eine weitere Top – Art für uns Flachländer, den Olivgelben Holzritterling (Tricholomopsis decora). Letztmalig habe ich ihn vor einigen Jahren in Norwegen gesehen. Kein Speisepilz.
Ein weiteres Highlight war der Orange Scheidenstreifling (Amanita crocea). Eine ausgesprochen hübsche Art, die bei uns recht selten ist. Wir fanden sie hier mehrfach unter eingestreuten Birken im Fichtenwald. Dieser lebhaft gefärbte Scheidenstreifling ist in der Regel auch kräftiger im Wuchs. Essbar, aber roh giftig!
Der auch bei uns in Nadelwäldern nicht seltene Braune Ledertäubling (Russula integra) war hier auffallend häufig. Der große, milde Ockersporer ist ein sehr guter Speisepilz.
2. Stopp in einem fast planaren Fichtenwald
Ein traumhaft schöner Märchenwald.
Hier gab es gleich auf den ersten Schritten einen Grund zum Feiern für mich. Während Irena sich eher für die Maronen (Xerocomus badius, rechts oben) begeisterte, waren für mich die Wieseltäublinge (Russula mustelina) ein einschneidendes Erlebnis. Seit Kindertagen kannte ich diesen Pilz nur aus Büchern und plötzlich stand er gleich truppweise vor mir! Sein mildes, angenehm nussig schmeckendes Fleisch ist ausgesprochen fest und wird kaum von Maden befallen. Er kann durchaus mit Steinpilzen verglichen werden, wobei er diesen geschmacklich sicher überlegen sein dürfte. Wir finden ihn in montanen Lagen nicht unter 500 Metern. Hervorragender Speisepilz.
Der leuchtend rote Kirschrote Spei – Täubling (Russula emetica) ist auch bei uns unter Fichten keine Seltenheit. Roh sind Speitäublinge giftig und wegen ihrer aggressiven Schärfe ohnehin nicht genießbar.
Typisch für montane Wälder ist auch der Zweifarbige Scheidenstreifling (Amanita battarrae). Kennzeichnend ist die dunkle Zone, angrenzend an den gerieften Hutrand. Der Pilz kommt allerdings auch in Mecklenburg vor. Essbar, roh giftig.
Nicht nur Hexen und Teufel treiben im Harz ihr Unwesen, es gibt hier auch, wie praktisch überall, Leute, die anderen etwas wegnehmen wollen.
Hier sollte man auf der Hut sein – der Diebesweg!
Bei so vielen Fichten darf natürlich auch der Echte Waldchampignon (Agaricus silvaticus) nicht fehlen. Ein guter Speisepilz, dessen Fleisch im Schnitt und auf Reibung rötet.
3. Halt – Führung durch den Rabensteiner Stollen
Der Rabensteiner Stollen gehört schon zu Thüringen, während der größte Teil des Harzes dem Bundesland Sachsen – Anhalt angegliedert ist.
Nicht nur Pilze standen also auf dem Programm, auch etwas kulturhistorisches wie eine Führung durch den Rabensteiner Bergwerksstollen.
Mit einer kleinen Bergbahn wurde in diesem Stollen seit dem Jahr 1737 in 4 Betriebsperioden Steinkohle gefördert, die aber nur einen sehr geringen Heizwert besaß und daher nicht vermarktet werden konnte. Sie wurde dann zum Heizen im Winter für die in äußerst bescheidenen Verhältnissen lebende Bevölkerung der umliegenden Orte genutzt.
Glück auf, der Steiger kommt!
Mit dieser kleinen Bergbahn fuhren wir dann durch das Mundloch (Bergwerkseinfahrt im Hintergrund) in den Stollen ein zu einer etwa einstündigen Führung, dunkel und feucht. Kaum vorstellbar, dass Menschen unter derartigen Bedingungen 12 Stunden am Tag Schuften mussten.
4. und letzter Tageshalt in Thale
Evangelische Sankt – Petri – Kirche Thale.
Das Städtchen Thale grenzt an das wildromantische Bodetal unterhalb des Hexentanzplatzes und der Rosstrappe.
Erlebniswelt für Kinder an den Seilbahnen Thale.
Merkwürdige Gesellen treiben hier ihr Unwesen.
Mit der Kabinenbahn ging es dann hinauf zum Hexentanzplatz.
Hexenzeit u.a. mit Tierpark und Golf. Heute war zusätzlich der Teufel los. The Rattles, The Lords und CCR heizten das teuflische Spiel an. Eines der besten und bekanntesten Stücke der Rattles war und ist bekanntlich auch The Witch!
The Witch = die Hexe!
Auf dem Aussichtsplateau des Hexentanzplatzes.
Wie aus dem Nichts stiegen plötzlich Nebelschwaden aus dem Bodetal auf und wir standen im Dunst. Wenn da mal nicht Hexenzauber mit im Spiel war!?
Am Abend hatten wir schließlich noch einen Korb voller leckerer Speisepilze, aber keine Möglichkeit, sie zu verwerten. Wir fragten bei einer kleinen Waldgaststätte nach, aber die Kinder des Wirtes kamen gerade aus dem Wald mit zwei Körben voll junger Steinpilze. Zum Glück war die nette Dame, die am Sonnabend – Abend in der Jugendherberge Dienst tat, Pilz – Fan und auch begeisterte Pilzesserin. Sie nahm uns unsere Ernte vertrauensvoll ab und bereitete sich die Pilze zu hause zum einfrieren zu. Die Wieseltäublinge wurden gleich verkostet, sehr gut und vor allem besonders bissfes!
Sonnabend, der 12. August
Besteigung des höchsten Berges Norddeutschlands
Zunächst eine zutrauliche Begegnung mit Damwild. Da wir durch eine Straßensperrung einen Umweg über kleine Feld- und Waldstraßen nehmen mussten, kamen wir an einem Wildgatter vorbei. Ansonsten wäre es wohl kaum möglich den scheuen Tieren so nah zu kommen.
Einfach schöne Tiere. Welch ein Glück, dass ich kein Jäger bin, ich würde es wohl nicht über` s Herz brechen, so etwas zu schießen.
Natursport im Hochharz, genau das hatten wir nun vor. Von Schierke aus zu Fuß hinauf zum Brocken. Irena und Jonas vor einer Info – Tafel am Beginn des Wanderweges.
Es gibt von hier aus offensichtlich zwei Möglichkeiten den Blocksberg zu Fuß zu erklimmen. Den Exzellenzenweg oder den abenteuerlichen Teufelsstieg. Wir entschieden uns natürlich für letzteren.
Noch ist der Weg ein Kinderspiel, aber das sollte sich bald ändern. Links und rechts gab es die herrlichsten Pilze, ein richtiger Traum, kein Wunder, bei einem solch märchenhaften Wald. Selbst Jonas geriet hier außer Rand und Band und versorgte mich ständig mit neuen Foto – Objekten. Er bekam von mir den Auftrag nach dem Königs – Fliegenpilz Ausschau zu halten. Wenn es hier schon einen Exzellenzenweg gibt, sollte auch er nicht fern sein!
Die ersten beiden Pilze, die er mir vorlegte. Rechts der bittere Schönfuß – Röhrling (Boletus calopus) und rechts eine boletoide Marone (Xerocomus badius).
Häufig wuchs hier der bei uns nur vereinzelt vorkommende Stachelbeer – Täubling (Russula quelettii). Er braucht Fichten auf basischen Böden. Der Sprödblättler ähnelt etwas der bei uns unter Kiefern viel häufigeren Säufernase und ist auch wie diese brennend scharf im Geschmack.
Diese recht fleischige Koralle (Ramaria spec.) wuchs zahlreich in der Fichten – Nadelstreu.
Wenn man schon in der Heimat der Hexen und Teufel unterwegs ist, dürfen entsprechende Pilze natürlich nicht fehlen. Hier ist es ein wunderschönes Exemplar des Flockenstieligen Hexen – Röhrlings (Boletus luridiformis). Ausgezeichneter Speisepilz.
Es sind zwar nur Gallen – Röhrlinge (Tylopilus felleus) aber im Wuchs haben sie sich wunderbar diesem Märchenland angepasst.
Und immer wieder Schönfuß – Röhrlinge (Boletus calopus). Im Bergfichtenwald sind sie häufig. Bei uns in Mecklenburg finden wir sie nur vereinzelt und dann meist unter Buchen.
Ein Bergbach ist uns mit seinem Rauschen ein ständiger Begleiter.
Es ist das Braune Wasser. Es entspringt oberhalb des Hohnebruchs und gehört zum Flusssystem Elbe. Es mündet in die Holtemme, diese in die Bode, dann in die Saale und schließlich in die Elbe, die in die Nordsee abfließt.
Am Ufer des Braunen Wassers fand Jonas schließlich auch den ersten Braunen Fliegenpilz (Amanita regalis) und hat ihn sogar selber erkannt. Es handelt sich um den gesuchten Königs – Fliegenpilz! Er war vor Freude außer sich und wird diesen Moment bestimmt nicht so schnell vergessen.
Wir danken dem Braunen Wasser!
Weiter führt uns unser Weg durch herrliche Landschaften im Nationalpark Harz.
Wunderschöne Schuppenstruktur auf dem Hut eines Gelbgestiefelten Schirmpilzes (Lepiota ventriosospora).
Mit einer Höhe von mindestens 40 cm erscheint dieser Schopftintling (Coprinus comatus) fast schon unwirklich. Unten ein Exemplar in Normalgröße. Sicher haben hier die Hexen nachgeholfen.
Nur wenige Schritte daneben ein junges, bildschönes Exemplar des Königs – Fliegenpilzes (Amanita regalis). Er war der Pilz des Jahres 2000 und ist bei uns im Flachland nicht zu finden. Der Wulstling ist dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Fichte treu geblieben. Giftig!
Weiter folgen wir dem steinigen Weg des Teufelstieges.
Und wieder zahlreiche Korallenpilze unter Fichten. Sie ähneln stark der Kammkoralle (Clavulina cristata). Möglicherweise handelt es sich auch um diese Art, die wir in unseren Breiten vor allem im Herbst häufig finden können.
Irena auf dem Weg zum Gipfel.
Das Braune Wasser ist hier ganz schön wild!
Der Wanderweg gleicht einem ausgetrockneten Flußbett.
Das Wasser plätschert derzeit aber neben uns her.
Der Teufelsstieg wird immer anspruchsvoller. Von Schierke aus sind es immerhin 6,5 Km bis zum Gipfel. Wir kamen mächtig in`s Schwitzen, aber dass sollte sich genauso wie die Sicht bald ändern.
Gemütlicher geht es mit der Brockenbahn nach oben, aber die Preise sind gepfeffert! Zu Fuß tut gut!
Immer mächtiger werden die Brocken, die uns der Teufel auf den Weg gelegt hat.
Eine schiere Geröllwüste und dazu setzte noch leichter Regen ein.
Einen Moment sitzen, denn es ist wirklich verteufelt hier! Höchste Konzentration ist nötig um den richtigen Fußtritt zu setzen. Pilze schauen ist da kaum noch möglich.
Zusätzlich zum Nieselregen begann es sich einzunebeln. Wir waren in den Wolken!
Natürliche Waldverjüngung.
Wir haben es bald geschafft. Nur noch 41 Meter und wir sind auf dem Gipfel!
Das sich Hexen und Teufel auf dem Blocksberg wohlfühlen ist kaum zu bezweifeln. Immer wieder tauchen ungewöhnliche Gestalten aus dem Nebel auf.
Und dann wurde es geschichtsträchtig.
Endlich geschafft und nichts wie rein in die Hexenklause des Brockenwirtes. Jetzt wäre ein Glühwein angebracht, denn bei nebelgrauem Nieselregen, starkem Wind und etwa 8 Grad plus waren wir mitten im November angelangt. Glühwein war leider Saison – bedingt nicht im Angebot, so musste ein Pils herhalten und natürlich auch eine warme Speise.
Einige Informationen zu Geo – Parks und Landmarken.
Leider verhinderte der Nebel die Sicht in` s Land. Sehr ärgerlich, aber nicht zu ändern. Immerhin tauchte er die Landschaft in eine geheimnisvolle Stimmung, echte Novemberstimmung, die ich sehr liebe!
Die Natur wird hier oben weitgehend sich selbst überlassen. Es herrscht ein sehr raues Klima, ähnlich der Alpen in 2000 Metern Höhe. Gewaltige Orkane und Schneestürme fegen immer wieder über den Brocken und der Wind- und Schneebruch ist enorm.
Es geht wieder hinunter. Jetzt nutzten wir die Zufahrtsstraße des Brocken – Personals, die für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist. Wir hätten auch mit der Brockenbahn fahren können, dass würde aber für uns drei mit 80.00 € zu Buche schlagen. Das Geld sparen wir uns lieber und tun unserer Gesundheit noch etwas gutes, auch wenn wir bereits ganz schön geschafft waren.
Die Bäume fallen gleich Reihenweise.
Da freut sich der Borkenkäfer und druckt unendliche Märchen und Geschichten von Hex und Teufel unter der Baumrinde in das Holz der Fichten.
Ein gefundenes Fressen für Ips typographus.
Hier ein besonders schönes Fleckchen in Gipfelnähe. Es handelt sich offensichtlich um ein Hochmoor mit seltener Vegetation. Leider vergaß ich den Namen des traumhaft schönen Biotops.
Frischpilze sah ich in Gipfelnähe kaum. Erst beim Abstieg tauchten dann wieder einige Fichten – Reizker (Lactarius deterrimus) auf.
Noch etwas weiter unten auch wieder stark von der Witterung gezeichnete Stachelbeer – Täublinge (Russula quelettii).
Leider wurden auch an der Brockenstraße trotz Nationalparks massiv Bäume abgeholzt. Wahrscheinlich aus Wegesicherungsgründen. Aber warum erst jetzt? Möglicherweise gibt es neue Bestimmungen bzw. Ausnahme – Regelungen oder was kann sonst noch zu solchen unschönen Maßnahmen führen?
Hinreichend geschafft, es waren immerhin nochmals 8,00 Km, erreichten wir bei hereinbrechender Dunkelheit wieder unseren Ausgangspunkt Schierke. Muskelkater inklusive.
Soweit der Bericht von unserer kleinen Harz – Reise. Am Folgetag, dem 13. August, war Abreise angesagt mit einem letzten, kleinen Abstecher in einen Laub- und Nadelwald bei Falkenstein, sehr ähnlich unserer Forste. Hier waren auch einige Pilzsammler unterwegs und suchten Steinpilze und Maronen. Frischpilze gab es hier sehr reichlich, vor allem viele Täublinge und Graue Wulstlinge.